EKG-Ableitungssysteme entwickeln sich von Einthoven zur 360-Grad-Abdeckung
November 9, 2025
Stellen Sie sich jeden Herzschlag als einen Miniatur-Elektrosturm vor und das Elektrokardiogramm (EKG) als das Radar, das diesen Sturm erfasst. Seit über einem Jahrhundert erforschen und verfeinern medizinische Wissenschaftler kontinuierlich die EKG-Technologie und streben nach umfassenderen und präziseren Interpretationen der elektrischen Aktivität des Herzens. Von frühen Salzwassereimern bis hin zu den heutigen intelligenten tragbaren Geräten ist die Entwicklung von EKG-Leitsystemen ein medizinisches Epos der Innovation und Durchbrüche.
Ein EKG ist eine nicht-invasive, schnelle diagnostische Methode, die die elektrische Aktivität des Herzens während jedes Herzzyklus durch Elektroden aufzeichnet, die auf der Hautoberfläche platziert werden. Die Potentialdifferenzen, die von diesen Elektroden aufgezeichnet werden, werden als "Ableitungen" bezeichnet. Verschiedene Ableitungssysteme verwenden unterschiedliche Elektrodenplatzierungen und -kombinationen, um die elektrische Aktivität des Herzens aus mehreren Perspektiven zu beobachten.
1903 zeichnete der niederländische Physiologe Willem Einthoven das erste menschliche EKG auf, was ihm 1924 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin einbrachte. In dieser Zeit, ohne Klebeelektroden oder Signalverstärkungssysteme, musste Einthoven die Gliedmaßen der Probanden in Salzwassereimer eintauchen und das Salzwasser als Leiter verwenden, der mit seinem Saitengalvanometer verbunden war. Er wählte drei Positionen – rechten Arm, linken Arm und linkes Bein – um Potentialdifferenzen zwischen rechtem Arm-linkem Arm (Ableitung I), rechtem Arm-linkem Bein (Ableitung II) und linkem Arm-linkem Bein (Ableitung III) aufzuzeichnen. Diese drei Ableitungen bildeten Einthovens Dreieck und standardisierten die EKG-Methodik.
Um die Beobachtungen der vertikalen elektrischen Aktivität des Herzens zu verfeinern, schlug Goldberger 1942 ein verbessertes Extremitätenableitungssystem vor. Unter Verwendung eines Widerstandsnetzwerks leitete er drei neue Ableitungen ab: aVR, aVL und aVF, die die Potentiale des rechten Arms, des linken Arms und des linken Beins relativ zum zentralen Wilson-Terminal darstellen. In Kombination mit Einthovens Ableitungen verbesserten diese sechs vertikalen Achsen die diagnostische Fähigkeit des EKGs für Arrhythmien und bestimmte Myokardinfarkte.
1934 verbesserte Wilson das EKG weiter, indem er Elektroden direkt auf der Brustwand platzierte und einen virtuellen Referenzpunkt (CT, zentrales Terminal) in der Nähe des Herzens verwendete. Seine sechs präkordialen Ableitungen (V1-V6) lieferten horizontale Ansichten der elektrischen Aktivität des Herzens und erwiesen sich als entscheidend für die Diagnose von Myokardischämie und ventrikulärer Hypertrophie. Zusammen bildeten Einthovens, Goldbergers und Wilsons Beiträge das moderne 12-Kanal-EKG-System.
Das 12-Kanal-EKG integriert sechs Extremitätenableitungen (I, II, III, aVR, aVL, aVF) und sechs präkordiale Ableitungen (V1-V6) und bietet Einblicke aus mehreren Winkeln in die Herzstruktur und -funktion. Als klinischer Goldstandard diagnostiziert es Arrhythmien, Ischämie, Infarkt, Hypertrophie und Elektrolytstörungen.
1956 modellierte Frank das Herz als rotierenden Dipol im 3D-Raum und erfasste seine elektrische Aktivität über X-, Y- und Z-Achsen in einem kartesischen System. Das Vektor-EKG stellte diese Aktivität als rotierende Schleifen dar und bot Vorteile bei Infarkten der Hinterwand. Seine Komplexität schränkte jedoch die weitverbreitete Akzeptanz ein.
1988 führte Dower das EASI-System ein, das nur fünf Elektroden verwendete, um vektorbasierte X-, Y-, Z-Ableitungen abzuleiten und 12-Kanal-EKGs zu approximieren. Dieser rationalisierte Ansatz behielt die diagnostische Genauigkeit bei und reduzierte gleichzeitig die Komplexität des Setups.
Um die blinden Flecken des 12-Kanal-EKGs (z. B. rechtsventrikuläre/hintere Infarkte) zu beheben, entwickelte CardioSecur ein 22-Kanal-System basierend auf EASI. Durch die Berechnung zusätzlicher Ableitungen – einschließlich Ansichten der rechten und hinteren Wand – erreichte es eine umfassende Herzbeurteilung ohne Neupositionierung der Elektroden.
- Einkanal-EKG: Begrenzt auf eine vertikale Achse; nicht in der Lage, Ischämie zu erkennen oder Arrhythmien präzise zu lokalisieren.
- 3-Kanal-EKG: Drei vertikale Achsen; immer noch unzureichend für Ischämie und Arrhythmie-Lokalisierung.
- 12-Kanal-EKG: Sechs vertikale und sechs horizontale Achsen; Goldstandard, aber verpasst Ansichten der hinteren/rechten Ventrikel.
- Vektor-EKG: 3D-Dipolanalyse; überlegen für hintere Infarkte, aber komplex zu interpretieren.
- EASI-System: Äquivalent zum 12-Kanal-EKG mit weniger Elektroden; geringfügige Abweichungen in Amplitude/Achse.
- 360°-System: 22 Ableitungen, die alle Herzwände abdecken; maximiert die Infarkterkennung und Arrhythmie-Lokalisierung.
EKG-Leitsysteme haben sich von Einthovens primitivem Aufbau bis zur 360°-Abdeckung von CardioSecur entwickelt, wobei jede Innovation die Herzdiagnostik verfeinert. Mit der Integration von KI und Big Data versprechen zukünftige Systeme noch größere Präzision und Personalisierung und ermöglichen es Klinikern, die Herzgesundheit wie nie zuvor zu schützen.

